Al Adiyat Inshass
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1985 war ein ganz besonders Jahr für mich. Als sich Inshasah am Abend des 10. Mai legte und sehr zügig ihr Fohlen gebar, ahnte niemand, ich selbst am allerwenigsten, wie bedeutend das Produkt meiner Lieblingsstute und des jungen Körungssiegers Messaoud für mich werden würde. "...selten hat mich ein Fohlen so berührt!" sagte Erika Rudolph noch 25 Jahre später. Fürs Erste war er schnell auf den Füssen, erleichterte seine Mutter um einen ordentlichen Schluck Milch und war von diesem Moment an das, worum sich alles im Hause drehte. Zu drehen hatte! Sein Selbstbewusstsein war grenzenlos, nichts schien ihn aufhalten zu können.Er war zu hüten, wie ein Sack Flöhe, seine Neugier und Vorbehaltlosigkeit ließ ihn mit Witz und Charme Dinge tun, die so manches Pferd schon in jungen Jahren zweifellos hätten umbringen können. Allah muss ihn sehr lieben, hat er ihm doch einen wirklich fleißigen, sehr tief fliegenden Schutzengel mit auf den Weg gegeben. Aufgewachsen in der Herde, nie ohne Spielgefährten aber immer im Familienverband, pflegte er bei Langeweile beispielsweise bereits als Jährling, den soliden 1,40er Koppelzaun elegant zu überwinden, den dahinterliegenden Straßengraben lässig zu queren, um am Ortsschild zunächst entsetzte Autofahrer "in die Eisen" gehen zu lassen und sich dann in Ruhe auf den Weg zu den ortsansässigen Trakehnerstuten im Dorfe zu machen. Abgesehen von besorgten Mitbürgern, die stets mit dem Schrecken davonkamen: Dem Hengst ist nie etwas passiert. Schon als Fohlen und Jährling holte er sich seine ersten Meriten in Gieboldehausen und im Europachampionat. Der Ernst des Lebens begann dreijährig, als er nach einer anstrengenden Weidesaison in der Junghengstherde bei Elisabeth von Kleist, von ihr unter den Sattel genommen wurde. Problemlos und schadenfrei verlief auch dieser Abschnitt seines Lebens, der in staatliche Körung und 100- Tage -Test mündete. Trotz schwerster Erkrankung bis zu den Medinger Abschlusstagen bestand er die Prüfung. Heim kam er zwar mit einer hochfieberhaften Lungenentzündung, die er wegzustecken hatte, war aber dank seiner erstaunlichen Konstitution bald genesen und von nun an ein legitimer Deckhengst im Stall. Er war mit diesem neuen Job nicht alleine, denn sein Großvater, der alte Ghazal-Sohn Ghat-Ghat hatte bis dahin das alleinige Recht auf die Damen wahrgenommen. Es wunderte mich, dass mehr und mehr Züchter dem jungen Hengst den Vortritt vor der schneeweißen, beindruckenden und ungemein männlichen Porzellanschönheit Ghat-Ghat ließen. Bereits die ersten Fohlenjahrgänge gaben den Überlegungen Recht. Alle Inshass-Fohlen waren sehr typvoll, kernig, wüchsig, bewegungsstark, verfügten über gute Beine mit breiten, ausgeprägten Gelenken und eine ganz besonders gebrauchsfähige Hinterhandformationen bei bestem Schluss zwischen Mittel-und Hinterhand. Sah man sie nur von hinten, konnte man sie allein anhand der Kruppe dem Vater zuordnen. Allein das deutsche Stutbuch des VZAP weist 100 Nachkommen nach. Die Gesamtzahl der Nachzucht liegt bei knapp 160. 53 Mutterstuten erscheinen von ihm im FN Jahrbuch Zucht. Einige seiner Söhne wurden eingetragen. Herausragend ist sein Sohn Al Adiyat Santander. Inshass -Nachzucht findet sich über alle Rassegruppen. Zahlreiche seiner Kinder konnten Siege, Reserven und Championatsehren erreichen. Etliche Söhne und Töchter sind leistungsgeprüft, sowohl im Bereich der vielseitigen Prüfungen als auch im Distanzsport. Inshass war für mehr als 10 lange Jahre mein Leib-und-Magen-Reitpferd. Er war immer für alles zu haben, sprang überlegt und immer passend, placierte sich mit Europameister Hartmut Keuchel in Westernprüfungen , ließ sich als begabtes Dressurpferd auf dem „Teller“ reiten und war im Gelände immer eine Lebensversicherung. Ich traute ihm so weit, dass er auch für mich in der Schwangerschaft nie Bedenken aufkommen ließ. Seine Unerschrockenheit und absolute Gelassenheit waren Grundlage für seine gern und oft gesehene Schaunummer "Fearless Arabian". Wolf Kröber kommentierte seinen Auftritt einmal ungefähr so: "Ich schlage vor, dass all unsere frisch gekörten Warmbluthengste einmal solch einer Prüfung unterzogen werden. Wer abhaut, wird kastriert" Als Distanzpferd taugte er wenig. Oder meine Vorbereitung taugte wenig. Er donnerte begeistert bis ins erste Gate, ließ sich brav untersuchen, ging in seine Pause, soff, pinkelte, fraß... ...und war der Auffassung: "Danke, das war`s!" Dass es gemeinhin mehr als eine Etappe auf solch einem Ritt gibt, wollte ihm nicht in den Kopf. Er schlurrte nur so vor sich hin, immer die pure Empörung im Gesicht, dass ich mir ernsthaft Sorgen um seine Gesundheit machte. Stieg ich ab um ihn rundherum zu untersuchen, begann er seinen Begleiter anzublasen, ganz Deckhengst, mehr als vergnügt. Das jeweils zweite Loop dauerte grundsätzlich mindestens dreimal so lang, wie die erste Etappe und der Hengst kam zum Dank mit Pulswerten um 36 in jedes Ziel. Aber er kam an. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, er grinste jeweils ziemlich breit. Älter geworden, war er meine erste Wahl für Unterrichtsstunden. Jeden Fehler seiner, oft jugendlichen, Reiter quittierte er prompt und unmissverständlich. Jede korrekt ausgeführte Hilfe jedoch auch. Ich glaube, er hatte ebensoviel Vergnügen an den "AHA"-Erlebnissen seiner Schüler, wie ich und es blieb immer der Eindruck, nicht ich, sondern der Hengst war der wirkliche Lehrer. 1996 hatte Frank Spönle Inshass entdeckt. Was bisher meine Aufgabe gewesen war, nämlich die Vorbereitung und das Vorstellen auf Schauen, gelangte erstmals in Profihände. Nicht, daß ich bis dato unzufrieden mit den Ergebnissen des Hengstes gewesen wäre, aber aus guten Plazierungen wurden plötzlich Siege. Es folgte eine Reihe von Erfolgen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Der schönste war sicherlich das errungene Senioren-Hengst-Championat im Platin Cup, der Inshass in eine Reihe sehr spezieller Berühmtheiten stellte. Der VZAP würdigte das Lebenswerk des Hengstes mit der Vergabe des Elite-Titels. Eine subklinisch verlaufene Streptokokkeninfektion beendete Inshass` überragende Befruchtungsfähigkeit für immer. Nur eine winzige verbliebene Menge TG steht noch zur Verfügung. "Inshass ist das heute ziemlich wurscht. Er tut, was er immer besonders gern getan hat: Fressen !!!, und die jungen Hengste mit dem nötigen Rüstzeug für ein würdevolles Männerleben versorgen. Heute sind es nicht mehr seine Söhne, sondern Enkel und Urenkel die seine Gesellschaft liebend gern teilen. Sie halten ihn jung und lassen ihm bisher keine Zeit, abzutreten. Möge es noch lange so bleiben, denn ein Leben ohne meinen "DAD" ist sicher möglich, aber schwer vorstellbar!" Leider hat sich der letzte Absatz überholt! Inshass ist nicht mehr unter uns....... |