Al Adiyat Mymoonah



*04.03.2003


"Die Baby"!
Tja nun, was soll ich sagen zu "die Baby"?
Eine Stute, die so garnicht meinen züchterischen Idealen entspricht.
Und die ich nicht missen möchte!
Sie ist gross, sie ist gern garstig, ballert gegen die Wände wenns beliebt, sie kann die Ohren anlegen, dass sie an Hässlichkeit kaum zu überbieten ist, sie kann misstrauisch sein dass man denkt, sie hat sie ganz gewiss nicht alle, ist sie doch hier geboren und ausserdem Flaschenaufzucht. Sie ist so oft ge-MadkourI-st, dass sie grässlich rosa wird im Sommer und ausserdem hat sie Gallen und überhaupt....!
...und dann wieder ist sie zauberhaft!
Die beste Krankenschwester, die man sich denken kann, eine Löwin wenn es darum geht, ihre Familie gegen Eindringlinge zu verteidigen, ein ungeheuer geduldiges, unerschrockenes, strassensicheres Reitpferd mit phänomenal weichen Bewegungen, einem langen Schritt mit dem man vorwärts kommt, einem ganz langen Reitpferdehals, einer gewaltigen Schulter, einer leicht tiefergelegten Leistungskruppe. Aber von Vorn:
Ihre Mutter Mashuga, eine El Thay Thamam-Tochter, "flog" mir sozusagen zu.
Sie war klein, sehr klein, hatte einen ungeheuer matten Rücken, war rosa wie ein Schweinchen, besass viel Weiss im Auge und war so überhaupt nicht mein Typ.
Meist war sie schlecht gelaunt und erst kurz vor Babies Geburt bekam ich überhaupt wirklich einen Zugang zu ihr.
Diese Geburt kostete sie das Leben.
Baby hatte sich entschlossen, ein Bein nach hinten zu klappen, es gelang nicht, unter den dicht aufeinanderfolgenden Wehen, richtig zu positionieren, und ehe der Vet an diesem nebligen Morgen bei uns war, hatte die Kleine ihrer Mutter schon so schwere innere Verletzungen zugefügt, dass sie letztlich verblutete.
Das Fohlen zu entwickeln, bedurfte einer Periduralanästhesie.
Die Baby hatte leicht anderthalb Stunden im Geburtskanal gesteckt und der Vet war bereit, alles zu tun, das vermeintlich zum Tode verurteilte Fohlen zu retten. Das tat nicht nötig, denn kaum heraus, stand sie schon auf ihren 4 ziemlich geraden Beinen.
Bis ich den Tierarzt bat, das Leiden der Mutter zu beenden, gelang es mir eben mal, 200 ml Colostrum zu melken. Zu wenig, wie der Test später ergab. Inshass spendete ihr Plasma. Dann stimmten alle Werte.


Sie musste den Tod ihrer Mutter nicht erleben.
Ich habe sie auf den Arm genommen und weggetragen.
Meine grossartige alte Übermutter Chazarah hatte fortgeschrittenen Spat und ich wusste, schlagen würde sie nicht können.
Die Rechnung ging auf und begeistert akzeptierte die alte Lady das Fohlen in ihrer Box, begann sogar, Milch zu produzieren.
Die aber gab es nicht, es gab Pulle.
Vom ersten bis zum letzten Tag der sechsmonatigen Babyzeit trank sie ihre Flaschen bis auf den letzten Schluck aus.
Sie hatte die Uhr im Kopf und uns allerbestens im Griff. Noch heute kann sie brüllen wie eine Elchkuh, wenn das Essen nicht zur Minute auf dem Tisch ist.
Chazarahs Lebensgeister erwachten mit der neuen Aufgabe als "Mutter" und sie führte "ihr" Fohlen grossartig.
Nur, dass sich das Gör ausgerechnet an ihrem warmen Rotlichplätzchen in der Box zu legen pflegte, passte ihr nicht so recht.
In den eisigen Nächten genoss die Stute dieses Plätzchen, das ihr die Beschwerden der alten Knochen nahm, und sie scheuchte die Kleine hoch, wenn sie sich dort legte.
Ein paar sehr sehr deutliche Worte meinerseits, an die auf frischer Tat ertappte Stute, lösten jedoch auch dieses kleine Problem und Madame stellte fest, dass dort auch Platz für Mutter und Kind im Warmen war.
Beide profitierten sehr von der neuen Gemeinschaft.

Baby hatte eine wirklich aufmerksame Mutter, Chazarah eine Aufgabe und erheblich mehr Bewegung als sonst, ihrer Tochter aufgeregt meckernd überall hin zu folgen, was den alten Beinen bestens bekam. Erwachsen geworden ist sie eine unkomplizierte soziale Begleiterin für Fohlen, Stuten und sogar Hengste. Sie rosst nämlich nie...


Ich gebe ja offen zu, sie ist ein bisschen anders, die Baby...
...aber sie ist ein "nützliches Glied der Gesellschaft".
Unserer "Gesellschaft".
Und sie gehört hier hin!