Sympatica



*20.01.1988


Einige Tage vor Weihnachten 2004 erreichte mich ein erschreckender Anruf einer lieben alten Bekannten.
Eine sehr alte Dame, mit dieser befreundet, hätte sich eine schwere Verletzung zugezogen, sei nicht mehr in der Lage, ihre arabischen Stuten zu betreuen, dringendes Handeln wäre geboten. Zwei Stuten stünden auf der Weide, unversorgt und bräuchten dringend eine gute zuverlässige Bleibe.
Gut, wir hatten noch Raum für 2 Boxen, die aber nicht sofort beziehbar waren und eigentlich liess die Situation keine 2 weiteren Pferde zu.
Es war Weihnachten und es schneite!
Die Feiertage verbrachten wir damit, Boxwände zu bauen, Boden anzugleichen und fuhren durch den Schnee mit der sicheren Befürchtung, zwei magere, frierende Stuten aus der weißen Pracht ausgraben zu müssen, gen Westen.
Es erwartete uns ein gemütlicher Stall, ordentlich eingestreute Boxen und selbstbewusst und allerbest gefüttert, zwei wunderschöne Stuten.
Mit dem ersten Blick in ihre grossen schwarzen Augen war es um mich geschehen: Sympatica, Tochter des Welt-und-Europachampions Rumak, rein polnisch gezogen von Holger Ismer, bestieg gelassen zusammen mit ihrer Freundin den Hänger, dessen Wände bei fertiger Beladung mit den beiden runden Damen zu "atmen" schienen.
Abgesehen von chic aufgerollten Dreadlocks gab es nichts, aber auch überhaupt nichts am Pflegezustand der Stuten auszusetzen und sie bezogen ihre neu gestalteten Boxen selbstverständlich und vernünftig um sofort die angerichteten Mahlzeiten zu geniessen.
Keine Sekunde lang habe ich die Entscheidung, die damals eigentlich gegen jede Vernunft getroffen war, bereut!
Der wunderbaren alten Dame, die uns diese Schätze übergab, bin ich noch heute sehr dankbar..

Sympatica hatte als junge Stute eine grundsolide reiterliche Ausbildung bei ihrem Züchter bekommen, hatte jedoch lange lange Zeit nichts getan.
Sie war 17 als sie kam und, vorsichtig aufgebaut, lief sie 19-jährig ihre erste Distanz.
Ihrem Alter angemessen blieb sie bei kurzen bis mittleren Längen.
Zuverlässig und gelassen begleitete sie Santander jahrelang. Ein Ankommer, immer für einen sicheren Ritt in der Wertung gut.
Immer, wenn ich diese herrliche Stute neben mir laufen sah, die feinen grossen Nüstern, den edlen geraden Kopf auf dem Rumak-typischen hoch gewölbten eleganten Hals, das aufmerksame grosse Auge, die uhrwerkgleichen kraftvollen Bewegungen, die Harmonie im Gebäude, wünschte ich mir ein Fohlen von ihr.
Natürlich von ihrem "Ehemann" von dem sie sich nie gern trennt.
Jahrelang haderte ich mit ihrem fortgeschrittenen Alter, denn sie hatte noch nie gefohlt und verkniff mir, sie decken zu lassen.

Bis zum Juni 2009.
21-jährig war sie sofort tragend.
Alles verlief regelgerecht bis auf die Tatsache, dass sie geschlagene 6 Wochen überzog... und als sie sich gemächlich legte, nichts mehr voran ging.
Ein Blick, eine Erkenntnis. Rückenlage, Veterinär!
Die gebotene Hilfe nahm sie so grossartig an, wie sie alles grossartig tut.
Nach bangen Momenten gelang es, ein winziges Fohlen im Geburtskanal zu drehen und den quietschlebendigen Bengel zur Mutter zu ziehen. Er hätte leicht unter meinen Küchentisch gepasst. Sie tat, was alle guten Pferdemütter dieser Welt zu tun pflegen und zog ihren ersten und einzigen Sohn, der sich schnellstens rappelte und seiner Winzigkeit flugs entwuchs, sorgsam und selbstverständlich auf.
Eingedenk der Tatsache, dass es vermutlich unvernünftig wäre, ihr erneut eine Trächtigkeit zuzumuten, lief sie nach dem Absetzen des Fohlens wieder kleine Distanzen und zeigt im hohen Alter von nun fast 25 Jahren auch noch ihre spezielle Begabung als Bibo-Wattestäbchen-Dressurpferd der erhöhten Kategorie.
Von Ihrem "Ehemann" mag sie sich heute noch weniger trennen lassen als je zuvor und kann, derweil sie nur noch sehr selten rosst, die meiste Zeit mit ihm gemeinsam verbringen. Heiss umworben aber liebevoll lässig und doch deutlich ablehnend.